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Münchener Räterepublik: 

Versuch der Errichtung eines Rätesystems durch die radikale Linke im April 1919 in Bayern.

Im Deutschen Reich war der Rätegedanke Anfang 1919, besonders nach dem Sturz der Bremer Räteregierung Anfang Februar 1919, weitgehend überwunden; in Bayern dagegen blieb die Frage nach der Staatsform und der Rolle der Räte unentschieden.

Am 7. November 1918 war im Zuge der Novemberrevolution in München ein Arbeiter- und Soldatenrat mit Kurt Eisner als Vorsitzendem gegründet und die Republik in Bayern ausgerufen worden; am 8. November 1918 bildeten USPD und SPD eine Koalitionsregierung mit Eisner (USPD) als Ministerpräsidenten und Außenminister und Erhard Auer (SPD) als Innenminister, und am 5. Dezember setzte das Kabinett die Neuwahlen zum bayerischen Landtag für den 12. Januar 1919 fest. Die radikale Linke – Kommunisten, Anarchisten und andere mit u. a. den Schriftstellern Erich Mühsam, Ernst Toller und Gustav Landauer an der Spitze – sprach sich gegen die Landtagswahlen und für ein Rätesystem aus. Die SPD forderte daraufhin die Einrichtung von Bürgerwehren zum Schutz der Republik; die USPD und die Soldatenräte lehnten diese Forderung ab, woraufhin Auer zurücktrat.

Die Landtagswahlen vom 12. Januar erbrachten für die SPD 33 Prozent der Stimmen, für die USPD lediglich 2,5 Prozent. Die Kommunisten und die Anarchisten hatten die Wahl boykottiert. Am 11. Februar beschloss der Münchener Arbeiterrat auf Initiative Landauers, eine Massendemonstration für das Rätesystem zu organisieren, die dann am 16. Februar unter Beteiligung Eisners stattfand. Vier Tage später trat der Rätekongress zusammen, um über ein zu errichtendes Rätesystem zu beraten, ging jedoch ohne konkrete Beschlüsse wieder auseinander. Am 21. Februar 1919 wurde Eisner auf dem Weg zur ersten Sitzung des neu gewählten Landtages, wo er seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklären wollte, von Graf Anton von Arco-Valley ermordet. Während der Landtagssitzung wurde Auer durch ein Attentat eines Mitglieds des Revolutionären Arbeiterrates (RAR) schwer verletzt, zwei weitere Personen starben. Der Landtag ging auseinander, und es konstituierte sich ein Zentralrat der bayerischen Räte mit Ernst Niekisch (SPD) an der Spitze. Ab dem 25. Februar tagte der bayerische Rätekongress erneut; am 28. Februar lehnte er den von Mühsam eingebrachten Antrag auf Ausrufung der Räterepublik ab.

Unterdessen einigten sich am 4. März SPD, USPD und Bayerischer Bauernbund in Nürnberg auf die Bildung einer Koalitionsregierung, die Einberufung des Landtages und die Neuwahl der Räte. Der Rätekongress lehnte dies ab und vertagte sich. Am 18. März trat der Landtag wieder zusammen, billigte die Regierung Hoffmann (SPD) und vertagte sich ebenfalls. Anfang April beschlossen Arbeiter- und Soldatenräte in Augsburg und München die Ausrufung der Räterepublik, und am 4. April wurden Mühsam und Landauer vom Revolutionären Zentralrat und den verschiedenen revolutionären Organisationen mit der Abfassung einer entsprechenden Proklamation beauftragt. Am 6. April beschlossen Zentralrat und revolutionäre Organisationen die endgültige Proklamation der Räterepublik und wählten die Volksbeauftragten (Minister); die Mehrheit der Volksbeauftragten gehörte der USPD an, zwei kamen aus dem RAR und drei vom Bayerischen Bauernbund. Mühsam erhielt keinen offiziellen Posten, blieb aber als Mitglied des Zentralrates und des RAR eine der führenden Kräfte der Räterepublik. Weder die Kommunisten, die gegen die angebliche „Scheinräterepublik" agitierten, noch gemäßigte sozialistische Kräfte beteiligten sich an der Räterepublik. Am 7. April wurde in München offiziell die Räterepublik ausgerufen.

Zunächst schlossen sich verschiedene andere bayerische Städte der Räterepublik an, doch letztendlich blieb München fast isoliert. Die Regierung Hoffmann zog sich nach Bamberg zurück, die Mitglieder der USPD schieden aus ihr aus. Am 13. April putschten republikanische Soldaten mit Billigung der Bamberger Regierung in München gegen die Räterepublik und verhafteten 13 Mitglieder des Zentralrates, unter ihnen Mühsam. Der Putsch wurde niedergeschlagen; kommunistisch orientierte Arbeiter- und Soldatenräte erklärten den Zentralrat für abgesetzt und übertrugen die Regierung einem kommunistisch dominierten Vollzugsrat mit Max Levien und Eugen Leviné an der Spitze. Die neue Räteregierung rief sogleich den Generalstreik aus. Landauer, bisher Volksbeauftragter für Volksaufklärung, erkannte in einer öffentlichen Stellungnahme die neue Situation an und erklärte sich zur Mitarbeit bereit, ebenso Toller.

Am folgenden Tag kündigte die Regierung Hoffmann den Einsatz von Freikorpstruppen gegen die Räterepublik an, und am 15. April begannen „Weiße Truppen" München einzukesseln; die revolutionäre „Rote Armee" konnte sich zunächst erfolgreich verteidigen. Am 17. April beschloss Reichswehrminister Gustav Noske (SPD), gegen die Räteregierung hart vorzugehen und Reichstruppen zu entsenden; München wurde zunehmend eingeschlossen.

Am 22. April ging der Generalstreik mit einer Massendemonstration zu Ende. Wenig später spitzte sich die Kontroverse zwischen den Kommunisten um Leviné und den Revolutionären um Toller über die Handlungen der Regierung und die Kriegsführung zu; am 27. April trat der Aktionsausschuss unter Leviné zugunsten eines neu gewählten, provisorischen unter Toller zurück. Toller nahm sogleich Verhandlungen mit der Bamberger Regierung auf, die jedoch bald wieder ergebnislos abgebrochen wurden. Am 28. April wurde ein neuer Aktionsausschuss gewählt, dem weder Kommunisten noch Toller angehörten.

In der Folge wurde der Kampf gegen die Weißen, die bereits in den Vororten Münchens standen, nochmals intensiviert; ab dem 30. April kam es zu heftigen Kämpfen in und um München und zu Massakern an Rotarmisten und unbeteiligter Bevölkerung, und am 2. Mai war die Stadt von Regierungs- und Freikorpstruppen besetzt. Etwa 1 000 Menschen kamen bei den Kämpfen um, etwa 5 000 wurden in der Folge wegen ihrer Beteiligung an der Räterepublik vor Gericht gestellt. Landauer wurde am 1. Mai verhaftet und am folgenden Tag ermordet; Leviné wurde am 3. Juni zum Tod verurteilt und zwei Tage später erschossen; Toller wurde zu fünf und Mühsam zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Die zunächst gegen Graf Arco verhängte Todesstrafe wurde in eine lebenslange Festungsstrafe umgewandelt; 1924 wurde er freigelassen. Der Rätegedanke war gescheitert, und München entwickelte sich zum Zentrum der rechten Opposition gegen die Weimarer Republik.

 

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